VORBILD |
25.10.2004 |
BBC iCan – Kann
Deutschland auch? |
Von Daniel
Halft |
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Die BBC-Sendergruppe
in England hat eine grundlegend andere Auffassung ihrer eigenen
Aufgaben als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
in Deutschland. Sie versteht ihre Funktion unter anderem auch
als mediale Plattform für politische Bürgerbeteiligung.
So betreibt sie seit Oktober 2003 die Website BBC
iCan und unterstützt damit Bürger-Engagement
in Großbritannien. Ein Bericht über die Hintergründe
und eine mögliche Übertragung der Initiative auf
andere Länder.
Dass ein Einzelner in der Politik nichts ausrichten kann,
ist eine alte Binsenweisheit. Wenn aber Viele am gleichen
Strang ziehen sollen, so muss man sie zusammenbringen und
organisieren. Wo ginge das besser als im Internet? Dieser
Gedanke scheint zwar nicht neu, dennoch ist praktizierte eDemocracy
im Netz bisher selten anzutreffen.
BBC iCan - Plattform für Bürger-Engagement
Einen vielversprechenden Ansatz verfolgt nun die Webseite
BBC iCan. Sie wird seit ihrem Launch vor beinahe einem Jahr
mit großem Aufwand von der renommierten öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalt betrieben. Das iCan-Projekt hat laut seinen Machern
den Anspruch, ein komplexes und engagiertes Beispiel sozialer
Software zu schaffen, das den gesamten Prozess
individueller politischer Aktivierung unterstützt. Konkret
heißt das beispielsweise: Wer sich dafür einsetzen
will, dass die örtliche Stadtbücherei endlich erweitert
wird, der findet über BBC iCan alle Mittel, die er braucht,
um mit Gleichgesinnten den nötigen politischen Druck
auf die Verantwortlichen auszuüben.
"Mach doch eine Kampagne draus! Wir zeigen dir
wie’s geht."
Die Webseite bietet von der Informations- beschaffung, über
die Mitstreitersuche bis hin zu Tipps für den Umgang
mit der Presse ("Behandelt die Presse wie Kinder!")
umfassende Hilfen für alle, die sich für ein selbstgewähltes
politisches Ziel engagieren wollen. Die BBC-Mitarbeiter haben
unzählige Adressen gesammelt und viele Ratgeber-Texte
geschrieben, bevor BBC iCan online ging. An der so entstandenen
interaktiven Plattform können nun auch die Bürger
weiterbauen. "Wir ermutigen die Benutzer ihre Erfahrungen
im Hinblick auf bisheriges Engagement mit den anderen zu teilen,
so dass diese davon lernen können", sagt der Projektleiter
Martin Vogel im Interview
mit politik-digital.
Berichterstattung durch die BBC
Aber die BBC geht noch weiter. Sie verknüpft die gestarteten
Kampagnen mit ihren Programminhalten. So wie Berichte der
BBC den Anlass für Bürgerkampagnen über iCan
geben können, wird andererseits die iCan Plattform vom
Sender nach interessanten Themen durchforstet. Abgestellt
sind für diesen Zweck zunächst fünf regionale
Reporter, die die Entwicklung der eingeleiteten Kampagnen
beobachten und gegebenenfalls in den lokalen Rundfunk- und
Fernsehprogrammen darüber berichten. Was gesendet wird,
entscheidet am Ende die jeweilige Redaktion. "Sie ist
vollkommen unparteiisch", darauf legt auch der Projektleiter
Martin Vogel im Interview hinsichtlich der iCan Initiative
besonderen wert. Dass hier dennoch von Seiten der BBC der
Charakter eines rein publizistischen Mediums überstiegen
wird, liegt auf der Hand.
"Mit dem Zweiten sieht man euch besser!"–
Ein Modell für Deutschland?
Heftig umstritten ist daher, inwieweit ein deutsches iCan
bei der ARD oder dem ZDF denkbar ist. Verbreiteter Unmut über
die "Politik von oben" ist eben kein ausschließlich
britisches Problem. Aber ein organisierter Protest, wie er
sich gerade gegen die Hartz-IV-Beschlüsse regt, gelingt
nur selten.
Es stellt sich also auch für Deutschland die Frage,
ob aufgestauter Frust über lokale wie nationale Belange
nicht durch eine medial unterstützte Internet-Plattform
aufgefangen und kanalisiert werden kann. Bislang haben ARD
und ZDF jedoch bei ambitionierteren Online-Auftritten meist
Kritik einstecken müssen, da sie von privaten Internet-Anbietern
hauptsächlich als gebührenfinanzierte Konkurrenz
(z.B. zur Online-Präsenz der Zeitungsverleger) wahrgenommen
werden. So sollen die öffentlich-rechtlichen Sender nach
dem neuen Rundfunk-Staatsvertrag auf eine reine Online-Programmbegleitung
festgelegt werden. Ein Diskurs darüber, ob dies nun das
letzte Wort ist, oder ob nicht auch in Deutschland von einem
durch öffentlich-rechtliche Medien geförderten Bürgerforum
neue Impulse für bürgerschaftliches Engagement ausgehen
können, wäre daher erforderlich. Konkurrierende
Privatsender, die durch besondere Unterstützung von bürgerlichem
Engagement aufgefallen wären, gibt es in der gegenwärtigen
Medienlandschaft jedenfalls nicht.
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