Immer mehr (deutsche) Journalisten eröffnen
ihr
eigenes, privates Weblog. Da stellt sich zwangsläufig
die Frage nach den Gründen, neben der zeitraubenden
beruflichen Tätigkeit auch noch regelmäßige
Tagebuch-Einträge im Internet zu verfassen.
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So mancher hält
Weblogs lediglich für eine Art "Spielplatz"
von Journalisten. Doch mittlerweile haben viele
Szenekenner ihre Meinung geändert. (Foto: Rabe)
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Viele bloggende Journalisten schätzen an Weblogs besonders
die Möglichkeit, in ihren Einträgen das zu schreiben,
was sie wollen. Ganz ohne Vorgaben, auch nicht seitens des
Arbeitgebers. Daher bietet diese Freiheit für etliche,
die auch beruflich viele Texte verfassen, einen speziellen
Anreiz. "Sie sind free speech, free press – und
nicht der Platz zwischen Anzeigen", erklärt Peter
Praschl, mit seinem Le
Sofa Blogger einer der bekanntesten deutschen Weblog-Journalisten.
Dennoch sieht der gebürtige Österreicher die Sache
nicht sehr verbissen: "Ich schreibe mir nichts von der
Seele. Nicht, dass ich das gering schätzen würde
– es trifft bloß auf mich nicht zu." Der
Ressortleiter beim Hamburger Frauenmagazin "Amica"
gibt auch zu, dass sich das Weblogschreiben wenig mit der
typischen täglichen Tätigkeit vergleichen lässt:
"Es stimmt, dass meine journalistische Arbeit sich von
dem unterscheidet, was ich in meinem Weblog mache; das liegt
aber eher daran, dass mein Weblog eben nicht oder nur zu einem
geringen Teil journalistisch sein soll." Zum gesamten
Interview mit Peter
Praschl.
Eigenwerbung durch Weblogs
Das Weblog: also nur ein Spielplatz für Journalisten?
Mitnichten. Auch der Vermarktungsaspekt spielt eine Rolle,
gerade bei jungen und freiberuflichen Journalisten. Der 41-jährige
Thomas Jungbluth, freier Computer-Journalist, beispielsweise,
versteht sein Weblog
als Marketing-Instrument, mit dem er Redaktionen auf sich
aufmerksam machen kann.
Ähnlich ergeht es dem freien Journalisten Mario Sixtus:
"Mein Blog erfüllt die Funktion eines permanenten
Lebenszeichens." Der Düsseldorfer hat die Vorteile
von Weblogs schätzen gelernt: "Bei Erstkontakten
mit Redaktionen verweise ich als Antwort auf die berühmte
Frage nach Referenz-Artikeln schlicht auf mein Archiv im Netz.
Dort können sich Redakteure nach Belieben
durch die Texte klicken. Wer sich für meine Themen interessiert,
dem ist diese Möglichkeit meist
sympathischer, als megabyteschwere PDFs gemailt zu bekommen."
Zum gesamten Interview mit Mario
Sixtus
Geld verdienen ist noch die Ausnahme
Dass Journalisten mit einem Weblog auch direkt Geld verdienen
können, beweist die Ausnahme Rafat Ali aus London. Bei
Paidcontent.org
berichtet der Wirtschaftsjournalist täglich kostenlos
über den Markt kostenpflichtiger Internetinhalte. Sein
Verdienst, das angeblich doppelt so hoch, wie in seiner vorigen
Position als leitender Redakteur beim "Silicon Alley
Reporter" in New York ist, bezieht er aus Werbung, die
er auf seiner Site schaltet. Sich selber bezeichnet er als
"Journoblogger". Doch Rafat Ali ist eine der großen
Ausnahmen und Experten bezweifeln, dass sich ein breiter Markt
für sein Modell entwickelt. Ali selber betont in einem
Interview
mit der Netzeitung, dass vor allem eine glücklich gefundene
Nische entscheidend für seinen Erfolg gewesen sei. Aber
es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Andrew Sullivan
(New York Times und Sunday Times) verdient mit seinem Weblog
pro Monat bis zu 6000 Dollar. Zum einen bittet er einfach
um Spenden seiner Leser, zum anderen kassiert er im Umfeld
seiner Buchkritiken Provisionen des Online-Buchhändlers
Amazon.
Publizieren ohne finanziellen Druck
In der Blogosphäre glauben viele daran, dass Weblogs
Journalisten die Möglichkeit geben, Eigen-PR zu betreiben
oder sich selbstständig zu machen, da die Kosten sehr
gering sind. Zudem können persönliche Weblogs die
Wahrnehmung der Leser entscheidend verändern, denn die
Leser achten bei der Auswahl ihrer Texte mehr auf den Autor,
statt auf die Publikation, in der der Bericht erscheint.
Andere Journalisten wollen dagegen gar keine ökonomischen
oder öffentlichkeitswirksamen Vorteile aus ihren Weblogs
ziehen. Peter Praschl fühlt sich bei den Einträgen
in seinem Le Sofa Blogger ohne Bezahlung besser: "In
einer Welt, in der zu viel über Verdienstmöglichkeiten
geredet wird, ist es durchaus ein Glück, dass es noch
ein Schreiben und ein Veröffentlichen gibt, das sich
keine Gedanken über Geld macht." Zudem drängt
viele die Angst, dass die Weblogs durch eine Kommerzialisierung
ihre Glaubwürdigkeit verlieren würden.
Journalisten belauern Weblog-Charts
Viele Journalisten, auch die, die gar kein eigenes Weblog
haben, nutzen Blog-Indizes wie Blogdex
und Daypop,
um den Erfolg einer Geschichte oder die Konjunktur eines Themas
in der Blogosphäre zu verfolgen. Wie aktuell journalistische
Weblogs sein können, zeigte Dan Gillmor in seinem Blog
bei siliconvalley.com,
der drei (!) Tage vor dem renommierten „Wall Street
Journal“ und der "Washington Post" berichtete,
dass der größte Anbieter für Weblogsoftware,
Pyra Labs, von Google gekauft worden war. Deutsche Weblog-Journalisten
hinken (noch) hinterher.
Trotz alledem: In Deutschland hält sich die Anzahl der
bloggenden Journalisten, im Gegensatz zum Vorreiter USA (noch)
in Grenzen. Neben dem zeitlichen Aufwand und der fehlenden
Verdienstmöglichkeit wird auch mit dem Misstrauen und
der Unwissenheit der Betroffenen
argumentiert. Dies könnte das Motiv sein, warum hierzulande
bisher noch kein wirklich prominenter Journalist sein Weblog
eröffnet hat. Mario Sixtus zeigt Verständnis: "Dass
Berufsschreiber keine Lust haben, auch noch ihre Freizeit
vor der Tastatur zu verbringen, kann ich gut verstehen."
Peter Praschl prophezeit dennoch eine positive Zukunft für
Journalisten-Weblogs: "Ich habe die Vermutung, dass es
mehr von ihnen geben wird."
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