ARBEITSWEISEN (1/2) |
09.02.2005 |
Material sammeln,
aufbereiten und veröffentlichen |
Von Roman
Mischel | Homepage |
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Der folgende Text basiert im wesentlichen auf meinen
eigenen Erfahrungen, die ich während der vergangenen
beiden Jahre als Videojournalist gesammelt habe. Kollegen
werden andere Arbeitsweisen haben, die möglicherweise
effizienter sind. Sie werden andere Technik einsetzen und
zu anderen Ergebnissen kommen.
Jedes Mal, wenn ich als VJ losziehe, tun mir spätestens
nach zehn Minuten die Schultern weh. Vermutlich liegt es
an meinem alten adidas-Rucksack, der für all das Equipment,
das ich so mit mir herumschleppe, viel zu klein ist. Vielleicht
ist es aber auch nur eine Frage der richtigen Tragetechnik.
Etwa 15 Kilo, ich habe es mal gewogen, sind an einem gewöhnlichen
Drehtag mit dabei: Kamera samt Kabeln, Stativ, Mikrofone,
Kopfhörer, Tapes, Leuchten, kleine Stative für
die Lampen - und jede Menge Kram, der aber wichtige
Funktionen übernimmt. Mit all diesen Dingen muss man
sich als VJ auseinandersetzen, oder nein: mehr noch - man
muss sie verstehen und so selbstverständlich bedienen
können
wie ein Handwerksmeister sein Werkzeug.
Die Kamera balancieren
Das Herz
der Ausrüstung ist die Videokamera.
Ich setze die Canon
XM1 ein. Sie unterscheidet sich von fernsehüblichen
Geräten
in erster Linie
durch ihre Größe und ihr Gewicht. Sie setzt
ein ganz anderes Handling voraus: Während
Kameramänner der
alten
Schule
ihr Werkzeug
schultern und somit ihren Körper gleichzeitig als Stativ
gebrauchen, bedienen Videojournalisten ihre Kamera aus der
Hand. Dabei ist die Gefahr verwackelter Bilder natürlich
ungleich höher, denn jede kleine Bewegung kann sich
schnell als bildzerstörender Wackler äußern.
Um dieses Risiko zu mindern, muss ein freihändig
geführter Camcorder möglichst "weich" gehalten werden. Der
Griffriemen
an der rechten Seite, der als Schlaufe für die
Hand dient, kann beim Filmen getrost vernachlässigt
werden. Vielmehr sollte die Kamera mit beiden Händen
balanciert werden, so als würde man "eine volle Schüssel
mit Wasser tragen"
(Wegner 2004, 19). Der Bildausschnitt kann dabei stets über
das ausklappbare Display kontrolliert werden.
Ebenso spielt die richtige Beinarbeit eine Rolle. Um im
Gleichgewicht zu bleiben, sollten die Knie leicht gebeugt
sein (vgl.
ebd.). Das sorgt für die notwendige Stabilität
vor allem beim Gehen, was mit der Kamera eher einem vorsichtigen
Schleichen
gleicht. Wer
den
Unterschied
sehen
möchte, sollte mit eingeschalteter Kamera
einfach mal auf ein stehendes
Objekt
in zehn
Metern
Entfernung zugehen und versuchen, es bis zum Schluss möglichst
in der Bildmitte zu halten. Zunächst mit der Hand im
Griffriemen, anschließend die Kamera in die beiden
ineinander gelegten Hände gebettet. Nach einiger Übung
sollte sich das Ergebnis deutlich unterscheiden.
Bilder vom Stativ
Wem es die Gegebenheiten am Drehort erlauben, sollte möglichst
häufig vom Stativ drehen - aus den bereits
erwähnten
Gründen.
Hierzu setze ich ein Stativsystem ein, dessen
Videokopf für Kameras bis zu einem Gewicht von drei
Kilogramm ausgelegt
ist. Das Stativ ist einfach ausziehbar, kann also problemlos
auf Höhen zwischen etwa 70 cm bis 1,80 m eingestellt
werden. Gerade bei Interviews ist das wichtig: Wird ein Gespräch
beispielsweise im Sitzen aufgezeichnet, kann die Kamera problemlos
auf Augenhöhe des Interviewpartners gebracht werden.
Neben der notwendigen Stabilität des Stativs ist vor
allem die Qualität des Videokopfes von elementarer Bedeutung.
Empfehlenswert ist generell ein fluidgedämpfter Kopf
- nur damit sind wirklich ruckfreie Schwenks möglich,
die am Anfang so wie am Ende leicht abbremsen.
Straßenumfragen und Interviews
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Für Straßenumfragen
eignet sich ein "Monopod" besser als ein
Dreibein-Stativ. (Foto: Nack) |
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Für dynamischere Situationen, in denen der Aufbau eines
Stativs zu lange dauern könnte, setze ich ein Einbein-Stativ
("Monopod") ein. Vor allem in Situationen wie Straßenumfragen,
in denen man sich schnell auf einen Gesprächspartner
einstellen muss, lassen sich auf diese Weise trotzdem noch
wackelfreie Bilder aufzeichnen.
Etwas Übung braucht man allerdings, wenn der Bildausschnitt
dabei gleichmäßig gehalten werden soll.
Wird das Stativ in der rechten Hand gehalten, sollte der
Interviewpartner
links
aus dem
Bild schauen. Dementsprechend sollte auch sein Kopf mit einem
leichten Übergewicht in der rechten Bildhälfte
aufgezeichnet werden. Komplizierter wird es, wenn man das
Stativ in der
linken Hand hält, denn das kleine TFT-Display der Kamera
ist ebenfalls an der linken Seite angebracht. Der direkte
Blick darauf bleibt dann also verwehrt - der O-Ton
muss quasi im "Blindflug" aufgezeichnet werden.
Mit etwas
Übung klappt auch das, vor allem, wenn man den Bildausschnitt
möglichst total einstellt.
Bei Straßenumfragen achte ich darauf, dass kein starkes
Gegenlicht ins Objektiv fällt (sonst wird der
O-Ton-Geber völlig unterbelichtet dargestellt) und drehe
generell mit der Vollautomatik der
Kamera. Das birgt natürlich Risiken: Ist der Hintergrund
sehr lebendig (beispielsweise eine Fußgängerzone
in der Stadt), kann sich der Autofocus schon mal
verschätzen - das Ergebnis sind deutliche Unschärfen
im Bild, die sich als "Pumpen" äußern:
mal ist der O-Ton-Geber scharf abgebildet, plötzlich
verlagert sich die Schärfe wieder auf den
Hintergrund.
Bei Interviews, die in ruhiger und kontrollierbarer
Umgebung geführt werden, arbeite ich daher stets mit
manuellen Einstellungen: Blende und Belichtungszeit werden
genauso
wie die die Schärfe fixiert. Meinen Interviewpartner
informiere ich dann darüber, dass er ab jetzt nicht
mehr allzu viel Bewegungsfreiheit hat (sich also weder zu
stark nach links
oder rechts bewegen sollte noch nach vorn aus dem Bild heraus).
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Das Zebra-Muster
zeigt überbelichtete
Bildanteile an. (Foto: Nack) |
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Die meisten DV-Kameras verfügen über eine wichtige
Funktion:
Überbelichtete Bildanteile werden auf dem ausklappbaren
TFT-Display mit einem Zebra-Muster dargestellt. Darauf ist
- zumindest
bei meiner Canon XM1 - absolut Verlass. Brauchbar ist die
Aufnahme immer dann, wenn ein minimaler Teil des Gesichts
des O-Ton-Gebers (beispielsweise die Nase oder eine kleine
Fläche der Stirn) überbelichtet
angezeigt wird.
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Teil »
Ausleuchtung, Tonaufnahme, Postproduktion
und mehrmediale Aufbereitung.
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