WEBLOGS VON JOURNALISTEN |
26.07.2004 |
"Ich schreibe
mir nichts von der Seele" |
Von Tobias
Rabe | Homepage |
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Mit seinem Le
Sofa Blogger ist Peter Praschl ein Pionier unter den deutschsprachigen
Weblog-Journalisten. Im Interview erklärt er, warum ihn
Weblogs faszinieren und warum in Zukunft noch mehr Journalisten
ihr eigenes Weblog beginnen werden.
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Peter Praschl schreibt
in seinem Weblog mit dem Namen "Le Sofa Blogger"
über viele Themen, oft aus privater Perspektive,
und hat täglich mehr als 3000 Leser. (Foto
(M): Screenshot) |
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Herr Praschl, was waren Ihre Hauptmotive, ein eigenes
Weblog anzufangen?
Als mein Co-Weblogger Stefan Knecht und ich im Herbst
2000 mit Le Sofa Blogger begannen, waren Weblogs fast noch
ein Gerücht. Es gab bei www.blogger.com zwar schon die
Werkzeuge, aber es gab noch nicht allzuviele Vorbilder, und
schon gar keine, die sich durchgesetzt hatten. Wir hatten
also das Glück, noch gar nicht wirklich zu wissen, was
ein Weblog denn nun eigentlich ist, kann, sein soll. Also
experimentierten wir. Aus reiner Neugierde, wie man eben ausprobiert,
was da an neuen Tools herumliegt. Und dann erging es uns wie
vermutlich vielen: Das Ding, das wir da begonnen hatten, begann
uns zu faszinieren, manchmal auch regelrecht zu verschlucken.
Ohnehin werden viele Weblogs verfertigt, wie Kleist es den
Gedanken nachsagt: allmählich, beim Schreiben. Vorgelagerte
Motive spielten jedenfalls bei uns keine Rolle.
Dienten Ihnen dabei die amerikanischen Kollegen als Vorbild?
Nein. Die ersten Weblogs, die ich las und die mich faszinierten,
stammten merkwürdigerweise aus Österreich: www.langreiter.com
(ein hoch nerdistisches Ding eines brillanten Programmierers)
und www.euroranch.org, ein idiosynkratischer Digest für
selten gehörte Musik, beide Haken schlagend, Nuggets
findend, immer wieder unerwartete Gedanken in die Welt setzend,
verlässlich unverlässlich, was die Linie, die Absicht,
das Programm betraf. Bald kamen andere deutschsprachige Pionier-Weblogs
dazu, etwa Malorama oder das fabelhafte Camp Catatonia, die
ich bis heute innig liebe. Lauter Mikro-Modelle für Mikro-Publishing.
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Peter Praschl
(Foto: privat) |
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Welche Vorteile bietet ein Weblog für einen hauptberuflichen
Journalisten?
Die Frage klingt, als wären Journalisten eine besondere
Spezies von Mensch. Das sind sie nicht. Gute Weblogs können
für Journalisten aus denselben Gründen interessant
sein wie für jeden anderen: Sie sind informiert, sie
sind unterhaltsam, sie sind schnell, nervös, subjektivistisch,
sie haben ein paar Qualitäten, die man sonst kaum findet.
Kann sein, dass Journalisten Informationen und Sprache inniger
zu schätzen wissen als Menschen, für die andere
Währungen wichtiger sind.
Sie verdienen mit Ihrem Weblog kein Geld, sondern "leben"
allein vom Feedback Ihrer Leser. Ist der nebenberufliche Aufwand
bei regelmäßigen Einträgen nicht zu groß?
In einer Welt, in der zuviel über Verdienstmöglichkeiten
geredet wird, ist es durchaus ein Glück, dass es noch
ein Schreiben und ein Veröffentlichen gibt, das sich
keine Gedanken über Geld macht. Auch das macht übrigens
eine Qualität von Weblogs aus: Sie sind free speach,
free press – und nicht der Platz zwischen Anzeigen.
Im übrigen bin ich Journalist, weil ich Journalist sein,
nicht weil ich davon mein Leben finanzieren will.
Was sagt ihr Arbeitgeber zu dieser Art von Nebenbeschäftigung?
Es ist keine Nebenbeschäftigung und mein Arbeitgeber
sagt wenig dazu. Er weiß es, hat es immer gewusst, interessiert
sich gelegentlich dafür, lässt sich gelegentlich
von mir erzählen, was Weblogs sind und was sich mit ihnen
anstellen ließe. Ich habe allerdings eine selbst gewählte
Spielregel in meinem Weblog: kein Wort über meinen Brot-Job,
weil ich es vermeiden will, auch nur in die Nähe von
Befangenheit zu geraten.
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Peter Praschl ist
Ressortleiter beim Hamburger Frauenmagazin
"Amica". Zuvor war er unter anderem
für den "Stern" tätig.
Der gebürtige Österreicher war mit
seinem "Le Sofa Blogger" im Oktober
2000 einer der ersten deutschsprachigen Journalisten,
die ein eigenes Weblog betrieben. |
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Die Inhalte Ihres Weblogs unterscheiden sich zu denen
Ihrer täglichen journalistischen Arbeit. Schreiben Sie
sich dort das von der Seele, was Sie in Ihrem Beruf nicht
umsetzen können?
Nein. Ich schreibe mir nichts von der Seele, an keinem
einzigen Ort. Als Mann von Mitte Vierzig und als einer, der
seit 25 Jahren alles Mögliche schreibt – durchaus
nicht nur Journalismus – weiß man, dass Schreiben
etwas anderes sein sollte als Selbsttherapie, psychische Entlastung
und dergleichen. Nicht, dass ich das gering schätzen
würde – es trifft bloß auf mich nicht zu.
Es stimmt, dass meine journalistische Arbeit sich von dem
unterscheidet, was ich in meinem Weblog mache; das liegt aber
eher daran, dass mein Weblog eben nicht oder nur zu einem
geringen Teil journalistisch sein soll. Weblogs haben einen
deutlich höheren Grad an Intimität, Subjektivität,
als es dem Journalismus zuträglich wäre; aber sie
sind auch nicht bloß intim oder reiner Subjektivismus,
sondern bearbeitete Intimität, reflektierter Subjektivismus.
Weblogs haben mehr mit Essayismus zu tun, mehr mit Bearbeitung
der Welt als Journalismus.
Wie sieht die Zukunft Ihres Weblogs aus und wie die der
Journalisten-Blogs allgemein?
Was mich betrifft: keine Ahnung. Was Journalisten-Weblogs
betrifft, habe ich die Vermutung, dass es mehr von ihnen geben
wird. Weblogs bieten Journalisten die Möglichkeit, ohne
Apparat zu publizieren: Das kann man in der Tat produktiv
nützen. Allerdings weiß man als Journalist natürlich
auch, wie viel man dem Apparat, dem Teamwork, der Arbeitsteilung
verdankt, die den Journalismus eben auch ausmachen. Was ich
nicht glaube: Dass Weblogs den Journalismus revolutionieren
oder überflüssig machen. Das gehört zu den
Einfällen, an denen Weblogger sich gerne selbst berauschen
– um dann doch wieder nur viel zu oft die jeweils neuesten
Artikel aus Spiegel Online oder FAZ zu kommentieren.
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