Vor gut einem Jahr ist der bisher einzigartige Studiengang
Online-Journalismus an der Fachhochschule Darmstadt gestartet.
Doch was nützt das innovativste Ausbildungsprogramm angesichts
der Krise der Internet-Wirtschaft? Professor Klaus Meier ist
davon überzeugt, dass Online-Journalismus zwar nicht
mehr trendy ist, aber nach wie vor sexy.
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Klaus Meier ist stellvertretender
Leiter des Studiengangs Online-Journalismus an der
Fachhochschule Darmstadt. (Foto: Benedikt Tüshaus)
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Der Journalismus lebt von Aktualität und Schnelligkeit
– und er passt seine Geschwindigkeit dem gesellschaftlichen
Umfeld an. New Information und Fresh Money sind zentrale Motive
der Gesellschaftsdynamik im 21. Jahrhundert. Als das Geschäft
mit dem Internet boomte, konnte es vielen Medien gar nicht
schnell genug gehen, irgendwo im Hinterhof eine eigene Online-Redaktion
zu gründen. Hochschulen haben andere Geschwindigkeiten
– aber auch eine andere Ausdauer und Perspektive. Ein
Studium ist kein 100-Meter-Sprint, sondern ein Marathon.
Der Studiengang Online-Journalismus ist inzwischen gut ein
Jahr alt – und dennoch weit entfernt davon, Absolventen
für den Arbeitsmarkt zu entlassen. Wir bilden nicht für
2002 aus, sondern frühestens für das Jahr 2005,
wenn die ersten Diplom-Online-Journalisten die Fachhochschule
Darmstadt verlassen. Zurzeit studieren 86 angehende Online-Journalisten
in Darmstadt: 36 im ersten und 50 im zweiten Jahrgang.
Dass sich ein Studium nicht an kurzfristigen Bewegungen
auf dem Arbeitsmarkt orientieren kann, liegt auf der Hand.
Wir füllen das Curriculum auf Grundlage der breiten Erfahrungen
der universitären Journalistik – unterfüttert
mit soliden Forschungen zu Innovationen, Trends und Perspektiven
der Medien. Hier ist sowohl ein fest gesteckter Rahmen als
auch Flexibilität im Detail erforderlich.
Was ist neu?
Was ist anders und neu am Studiengang Online-Journalismus?
– Während die traditionelle Journalistenausbildung
an Hochschulen im Kern die herkömmlichen Medien im Blickfeld
hat und die Online-Medien – je nach Interessenlage der
Professoren – irgendwie dazu gepackt werden, steht an
der FH Darmstadt das Digital Storytelling im Zentrum von Lehre
und Forschung. Von dieser Warte aus lassen sich nicht nur
Online-Medien betrachten, sondern auch alle traditionellen
Medien und Darstellungsformen analysieren, begreifen und das
journalistische Arbeiten umfassend trainieren. Nicht zuletzt
geht es auch um das Zusammenspiel von Text, Bild, Audio und
Video.
Was passiert mit den Printmedien, wenn inzwischen junge
Menschen das Internet schon mehr nutzen als die Tageszeitung?
Wie verändert sich das Fernsehen als WebTV und als Interaktives
Fernsehen? Wie lässt sich via Internet die Unternehmenskommunikation
optimieren? Dies sind nur drei beispielhafte Fragen, an denen
sich zeigt, wie Online-Medien Journalismus und Public Relations
verändern.
Spannende Perspektiven in zwei Berufsfeldern
Die Darmstädter Studentinnen und Studenten können
sich im Hauptstudium auf eines von zwei Berufsfeldern konzentrieren:
Online-Journalismus und Online-PR sind zwar nicht mehr trendy,
aber nach wie vor sexy. Beide Berufsfelder haben spannende
Perspektiven. Es gibt eine Menge Gründe, warum das Internet
als Medium nicht nur überleben wird, sondern allmählich
ins Zentrum der medialen Kommunikation und Vermittlung vordringt.
Der Hauptgrund ist und bleibt die Tatsache, dass das Internet
für Nutzer ein sehr attraktives Medium ist und die Zahl
der Nutzer sowie die Nutzungszeiten permanent steigen.
- Online-Journalismus: Wenn eine Redaktion
das Internet als Ausspielkanal ignoriert, wird sie den Kontakt
zu bestimmten Zielgruppen – vor allem zu jungen Zielgruppen
– immer mehr verlieren. Das beschädigt die Marke
und auch den traditionellen Verbreitungsweg. Zukunftsfähige
Redaktionen integrieren das Internet in den traditionellen
Newsroom und werden crossmedial gemanagt. Das ganze Material
– Text, Foto, Video und Audio – liegt digitalisiert
für alle Ausspielwege bereit. Natürlich muss ich
die Story im Internet anders erzählen, in Print anders
und im Fernsehen wieder anders – und natürlich
brauche ich deshalb auch weiterhin Print-, Online- und Fernsehjournalisten,
aber ich kann gemeinsam planen, Material und Recherchen
in Teams austauschen, gemeinsam Themen setzen und eine Marke
transportieren. Wer mehrmedial auf Basis digitaler Techniken
arbeiten kann und Online-Medien versteht, hat an den Newsdesks
zukunftsfähiger Redaktionen gute Aussichten.
- Online-PR: Das Spektrum, in dem Online-Medien
als Instrument der Public Relations eingesetzt werden können,
ist breit. Das Intranet hat bereits in vielen Unternehmen
die Mitarbeiterzeitschrift als Leitmedium interner Kommunikation
erfolgreich abgelöst. Der externe Unternehmensauftritt
im Web – flankiert durch persönliche E-Mails
oder E-Mail-Newsletter – erfüllt viele Funktionen
für unterschiedliche Zielgruppen, die mit traditionellen
Medien nur schwer erreicht werden können: von der Customer
und der Investor Relations bis zum Online Recruiting neuer
Mitarbeiter und zum traditionellen Feld der Pressearbeit,
der Umfeldkommunikation und dem Kontakt zu gesellschaftlichen
Teilöffentlichkeiten. Die Bedeutung des Internets im
Kommunikationsmanagement wächst zudem mit der steigenden
Digitalisierung und Vernetzung aller Workflows in und zwischen
Unternehmen. Das Internet ist ja nicht nur ein Medium, sondern
eine neue Kulturtechnik.
Zweifaches Monopol
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86 Studierende (Stand:
12/2002) lernen an der FH, Stories multimedial und
internetgerecht zu erzählen. "30 bis 40
Diplom-Online-Journalisten wird der Arbeitsmarkt
ab 2005 aufnehmen", glaubt Klaus Meier. (Foto:
Benedikt Tüshaus) |
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Wir machen uns keine Sorgen, dass der Arbeitsmarkt ab dem
Jahr 2005 jährlich 30 bis 40 Diplom-Online-Journalisten
entweder im Journalismus oder in der Public Relations aufnehmen
wird. Dass der Studiengang auch für Schülerinnen
und Schüler attraktiv ist, zeigt die Bewerberzahl, die
sowohl 2001 als auch 2002 bei ca. 270 Interessenten lag. Natürlich
hängt die Attraktivität auch zum Teil am zweifachen
Monopol: Der Online-Journalismus-Studiengang in Darmstadt
ist der einzige Vollstudiengang in Hessen, der konkret für
Journalismus und Public Relations ausbildet. Da wir (noch)
der einzige deutsche Studiengang sind, der sich auf Online-Medien
spezialisiert hat, ist natürlich auch das Interesse bei
Bewerbern aus anderen Bundesländern hoch. Nebenbei bemerkt:
Der Trend zum "Frauenberuf Journalismus" bestätigt
sich: In beiden Jahrgängen sind 60 Prozent der Studierenden
weiblich.
Universität oder Fachhochschule?
Wo ist ein Journalistik-Studium besser aufgehoben: an der
Universität oder an der Fachhochschule? – Die beste
Hochschulausbildung von Journalisten trifft sich meiner Meinung
nach in der Mitte: Ohne Praxisbezug geht ein Universitätsstudium
an der redaktionellen Realität vorbei – und ohne
Forschung und wissenschaftliche Analyse und Reflexion wäre
ein FH-Studium rein schulisches Lernen, quasi eine auf vier
Jahre verlängerte Journalistenschule.
Natürlich ist die Forschung an Unis eher grundlagen-orientiert,
an FHs eher anwendungsorientiert. Aber gerade das nützt
der Journalistenausbildung an Fachhochschulen. Wir haben zum
Beispiel im Forschungs- und Lehrprojekt "Trimediales
Publizieren" in Zusammenarbeit mit zwei Partnern aus
der Medienwirtschaft experimentell getestet, wie ein Thema
crossmedial für verschiedene Plattformen – u.a.
Internet und Interaktives Fernsehen – produziert werden
kann (siehe Projektbeschreibung).
Es hat in Deutschland schon Tradition, dass Praktiker die
Nase rümpfen über Journalistenausbildung an Hochschulen.
Ich war überrascht, dass uns bei diesem neuen Studiengang
viele Verantwortliche in Journalismus und Public Relations
nicht Skepsis, sondern hohe Erwartungen entgegenbrachten.
Das liegt vermutlich daran, dass Online-Journalisten nicht
auf eingefahrene Traditionen nach dem Motto "Das haben
wir schon immer so gemacht" zurückgreifen können
und sogar erfolgreiche Redaktionen unsicher sind.
Hier setzt anwendungsorientierte Forschung an – und
eine Ausbildung, die nicht als Durchlauferhitzer angelegt
ist, sondern Zeit bietet, sich intensiv und extensiv mit der
Funktionsweise neuer interaktiver Medien, ihrer Nutzung sowie
ihrem ökonomischen, juristischen und gesellschaftlichen
Umfeld zu beschäftigen.
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